Mit Fingerabdrücken auf der Suche nach Wahrheit

Mit Fingerabdrücken auf der Suche nach Wahrheit

Maximilian Murck arbeitet für den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und koordiniert und leitet das Programm „Human Identification in Mexico“, das die mexikanische Regierung bei der Identifizierung unbekannter Verstorbener technisch unterstützt und das von Deutschland und auch Norwegen finanziert wird. Ende Juni hatte ich Gelegenheit, mit ihm persönlich über seine Arbeit zu sprechen.

Er berichtete mir, dass es derzeit in Mexiko mehr als 110.000 vermisste Personen gibt, während sich gleichzeitig laut Zivilgesellschaft 52.000 bisher nicht identifizierte sterbliche Überreste in rechtsmedizinischen Instituten und auf Friedhöfen in Mexiko befinden. Es sei anzunehmen, dass sich unter diesen nicht identifizierten Personen zahlreiche Verschwundene befänden. Ausbleibende Identifizierungen führen einerseits zu immer größeren Engpässen in den rechtsmedizinischen Instituten, andererseits erhalten Angehörige und Suchende keine Gewissheit über den Verbleib ihrer Verwandten. Dieses tägliche Hoffen und Nicht-Trauern-Können ist für die Angehörigen von Verschwundenen extrem belastend.

Die Aufgabe der mexikanischen Regierung ist es, den suchenden Familien, insbesondere den suchenden Müttern, Gewissheit zu verschaffen und ihre Angehörigen nach Hause zu bringen. Trotz erkennbarer Fortschritte in den letzten Jahren fehlt es aber vor allem an einem bundesweit einheitlichen Abgleich von Daten von Lebenden (antemortem) mit Daten von Verstorbenen (postmortem).

Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (CED) hatte nach einem Besuch Mexikos im November 2021 spezifische Empfehlungen veröffentlicht, nicht nur zum Thema menschliche Identifizierung und forensische Krise, sondern auch zur Suche nach lebenden Personen. Herr Murck betonte, dass eine der Kernempfehlungen darin bestehe, Fingerabdrücke unbekannter Verstorbener mit dem nationalen Wählerregister (INE) abzugleichen. Dieses Register enthält die Fingerabdrücke von mehr als 98 Millionen Mexikaner*innen. Auch Interpol empfiehlt, in Ländern mit einem Kontext des Verschwindenlassens verstärkt Fingerabdrücke abzugleichen.

In den letzten Monaten habe das von ihm geleitete Programm in enger Zusammenarbeit mit der mexikanischen Regierung die Fingerabdrücke von mehr als 6.000 bisher unbekannten Verstorbenen digitalisiert, was im Ergebnis zu fast 3.000 bestätigten Identitäten geführt habe. Diese Toten hätten nun einen Namen, eine Sozialversicherungsnummer und ein Geburtsdatum – wichtige Informationen, die dazu beitragen, ihre Familien zu finden und die Leichen ihren Angehörigen würdevoll zu übergeben. Herr Murck berichtete mir, dass kürzlich insgesamt 300 mobile Fingerabdruck-Scanner an alle 32 Staatsanwaltschaften und auch an 32 lokale Suchkommissionen gespendet worden seien. Diese Scanner und ihre Software sind gemeinsam mit dem Forensischen Institut von Mexiko-Stadt und dem rechtsmedizinischen Institut der Universität Hamburg entwickelt worden und ermöglichen es, Fingerabdrücke von kürzlich Verstorbenen zu nehmen und diese mit dem nationalen Wählerregister abzugleichen.

Wir sprachen auch über die Bedeutung der Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Familien in diese Prozesse. Herr Murck erzählte mir von seinen Treffen mit den suchenden Müttern. Die erlebten Erfahrungen, die Trauer und die Verzweiflung der Suchenden seien unfassbar. Durch das Programm des UNFPA könne man aber zumindest einigen Familien Gewissheit über den Verbleib ihrer Angehörigen verschaffen und darüber hinaus zeigen, dass nunmehr effektiver an der Identifizierung gearbeitet werde. Jeder Mensch hat das Recht auf Identität, sei es lebend oder tot. Diese Arbeit im Bereich Identifizierung von unbekannt Verstorbenen ist von großer Bedeutung im Kontext des gewaltsamen Verschwindens, nicht zuletzt auch für strafrechtliche Ermittlungen.

Für weitere Information steht Maximilian Murck per Mail zur Verfügung: murck@unfpa.org
Er hat die Fotos für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.