Die alljährliche Versammlung der Vertragsstaaten (ASP) des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) nahm ich zum Anlass für eine kurze Reise nach Den Haag. Das gewaltsame Verschwindenlassen, wenn es im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung begangen wird, ist als Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch im Römischen Statut ein Tatbestand, den es völkerstrafrechtlich zu ahnden gilt. In dessen Definition gibt es allerdings Unterschiede zu derjenigen in der Konvention gegen das Verschwindenlassen in Bezug auf die nachzuweisende Absicht der Täter und die längere Dauer des Verschwindens. Hier hoffen wir, dass seitens des ICC möglichst bald eine Interpretation erfolgt, die der Konvention entspricht. Bislang gibt es allerdings keine Entscheidung des IStGH zu diesem Tatbestand. Es war gut, darüber mit Jurist*innen am IStGH und ehemaligen Kolleg*innen der Parliamentarians for Global Action zu sprechen.
Die allgemeinen Debatten auf dieser ASP befassten sich mit dem wie immer zu knappen Budget des IStGH, den anstehenden Wahlen zum obersten Verwaltungsbeamten („Registrar“) und den oft schwierigen internen Arbeitsbedingungen beim IStGH. Interessant waren die zahlreichen Veranstaltungen zu Ländern und Themen, die besonders auch die Internationalen Koalition für den ICC organisiert hat. Teilweise war es den eingeladenen Jurist*innen und Anwält*innen nicht möglich sich öffentlich zu äußern, weil schon ihre Präsenz in Den Haag bei ihrer Rückkehr gefährlich sein könnte.
Sehr gut besucht war die von Deutschland und Südafrika organisierte Diskussion zu „Protecting women in armed conflict – is the current legal framework sufficient?“, auf deren Podium ich eingeladen war. Gemeinsam mit der Richterin Ute Hohoff, die sich hier als die deutsche Kandidatin für die IStGH Richterwahlen in 2023 vorstellte, Philipp Ambach, Chef des Opferbeteiligungssektion beim IStGH, Alex Whiting von der Anklagebehörde und Kathryn Bomberger, Direktorin der Internationalen Kommission für Vermisste Personen (ICMP) diskutierten wir intensiv, dass es vor allem auf die Anwendung und Umsetzung der bestehenden völker(straf)rechtlichen Regeln ankommt und es derzeit keine neue Gesetz auf internationaler Ebene braucht.
Die ICMP hat ihren Hauptsitz in Den Haag und feierte im letzten Jahr ihr 25jähriges Bestehen. Ich nahm mir einen halben Tag Zeit, um mich über deren Irakprogramm zu informieren und Möglichkeiten auszuloten, wie wir auch die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen ICMP, der UN Working Group on Enforced and Involuntary Disappearances und unserem UN Ausschuss regelmäßiger gestalten können. Mit reichlich Druckerzeugnissen zu „Missing Persons From the Conflicts of the 1990s in the Former Yugoslavia and their Aftermath“ und deren neuem „Short guide for families of the missing“, im Gepäck reiste ich wieder ab.